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Europäischer Rat

Es geht um insgesamt gut 1,8 Billionen Euro. Es geht um Solidarität. Es geht darum, ob und wie wir die Folgen der Pandemie gemeinsam bewältigen, aber auch um langfristige Investitionen in die Zukunft und nicht zuletzt auch um unseren Wohlstand in Europa. 

 

Am vergangenen Freitag traten die Mitglieder des Europäischen Rates in einer Videokonferenz zusammen. Die Staats- und Regierungschefs berieten über den vor gut drei Wochen vorgestellten Vorschlag der Kommission für einen Aufbaufonds in Verbindung mit einem langfristigen EU-Haushalt, dem mehrjährigen Finanzrahmen (MFR). Es ist ein Konjunkturpaket, das es in dieser Art und Höhe noch nie gab und ich bin überzeugt, dass ein solches Programm das Gebot der Stunde ist. 

 

Wir haben die Verletzlichkeit der Europäischen Union in den vergangenen Monaten gespürt. Es ist eine noch nie dagewesene Situation, auf die wir in außergewöhnlicher Weise reagieren müssen. 

Trotzdem ist es unsere demokratische Pflicht diesen Vorschlag kritisch zu prüfen. Vieles was vorgeschlagen wurde ist noch zu vage und unklar. 

 

Als CSU – Europagruppe sind wir uns einig, dass es sich lediglich um einen Entwurf handeln kann, der noch einiges an Verbesserung braucht. Nicht alles, was die Kommission vorschlägt wird am Ende eins zu eins beschlossen werden. 

 

Denn es sind enorme Summen, um die es geht und die auch die nachfolgenden Generationen tragen müssen. 

Das Wiederaufbauprogramm sieht unter anderem folgendes vor: 

Insgesamt fasst das Corona – Hilfspaket „Next Generation EU“ 750 Milliarden Euro. Erstmals will die Kommission dieses Geld in Form von Schulden aufnehmen. Das müsste durch die vorübergehende Anhebung der Eigenmittelobergrenze auf zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU gelingen, da die Kommission über ein gutes Kreditranking an den Finanzmärkten verfügt. 

500 Milliarden Euro sollen dann als nicht rückzahlbare Zuschüsse in die einzelnen Mitgliedsstaaten fließen, 250 Milliarden als Darlehen. Sowohl zeitlich als auch der Höhe nach soll es gedeckelt sein. Das Paket ist mit dem mehrjährigen Finanzrahmen eng verbunden und stockt ihn massiv auf. Auch soll über EU-Förderprogramme, wie ELER, mehr Geld in die Mitgliedstaaten fließen.

 

Die neue Aufbau- und Resilienzfazilität soll umfangreiche finanzielle Unterstützung für Reformen und öffentliche Investitionen der Mitgliedstaaten bereitstellen, um die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie abzumildern, die Volkswirtschaften der EU nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen und sie besser auf die Herausforderungen der grünen und der digitalen Wende vorzubereiten.

 

An vielen Stellen dieses Vorschlags fehlt es aber derzeit an Transparenz, thematischer Klarheit und besonders auch an der Gegenfinanzierung. 

 

Eine enge Einbeziehung des Europäischen Parlaments, als direktem Repräsentanten, ist unerlässlich. Es wird nicht ausreichen, lediglich eine Rahmengesetzgebung zu verabschieden und dann der Europäischen Kommission die komplette Entscheidungsgewalt zu übertragen. 

 

Insbesondere muss der Plan auch hinsichtlich der Finanzierung konkreter werden.  

Ein Rückzahlungsplan, der erst im Jahr 2028 beginnt, sich über dreißig Jahre und damit mehrere mehrjährige Finanzrahmen erstreckt, ist mit der Idee einer guten Haushaltsführung und der Generationengerechtigkeit nicht zu vereinbaren. Es ist ein Gebot der Aufrichtigkeit, den Rückzahlungsplan in der zweiten Hälfte des kommenden mehrjährigen Finanzrahmens zu beginnen. Wenn die Refinanzierung nicht sauber und seriös geklärt ist, dann darf dieser Weg, den Ursula von der Leyen vorgeschlagen hat, nicht beschritten werden.

 

Ebenso muss sichergestellt werden, dass die Mittel aus dem Wiederaufbaupaket nicht dazu genutzt werden, Löcher in den nationalen Haushalten zu stopfen. Das Geld muss bei den Unternehmen und Menschen in Europa ankommen und es muss genutzt werden, um die Weichen hin zu einer langfristig wettbewerbsfähigeren Europäischen Union zu stellen. Zukunftsinvestitionen in Digitalisierung, Aufbau eines 5G-Netzes und Künstliche Intelligenz, um uns unabhängig von China und den USA zu machen sind unerlässlich und müssen an die Finanzhilfen gekoppelt werden. Um diese Ziele zu erreichen, braucht es ein gewisses Maß an Konditionalität, das heißt die Zahlungen müssen an strikte Auflagen gekoppelt sein. Leider hat die Europäische Kommission die Vorschläge für ein Strukturreformunterstützungsprogramm und dessen Kontroll-Struktur zurückgezogen und sie mit einem deutlich schwächeren Ansatz in der Aufbau- und Resilienzfazilität ersetzt. Um eine effektive Mittelverwendung sicherzustellen, muss die Konditionalität gegenüber dem Kommissionsvorschlag deutlich gestärkt werden.  

 

Auch setzt das Finanzierungskonzept der Europäischen Kommission stark auf Eigenmittel, die es noch gar nicht gibt und die politisch nur schwer durchsetzbar sein werden. Die Kommission will den Vorschlag für einen Eigenmittelbeschluss leider erst zum Ende der kommenden MFR-Periode machen, was zu einer problematischen Nichtübereinstimmung von Ausgaben- und Finanzierungsentscheidungen führt. Sollten sich die versprochenen neuen Eigenmittel nicht oder nur in geringeren Umfang materialisieren, ergibt sich plötzlich ein nicht unerhebliches Risiko für den EU-Haushalt und damit die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union insgesamt. Um dies zu verhindern und Planbarkeit zu schaffen, muss der Eigenmittelbeschluss gleichzeitig mit den Entscheidungen über das Wiederaufbaupaket gefällt werden. 

 

Eine Einigung wurde am Freitag nicht erzielt. Ziel der Konferenz war es, eine entscheidende Etappe zu schaffen, und so schnell wie möglich beim nächsten - hoffentlich physischen - Treffen im Juli eine Einigung zu erzielen. 

 

Unser Europa braucht jetzt Solidarität. Gerade am Beginn der Pandemie haben wir viele Fehler gemacht, uns abgeschottet und auf den Nationalstaat zurückgezogen. Das darf uns nicht mehr passieren. Dennoch muss am Ende ein leistbares und seriöses Paket stehen. Nur ein solches werde ich als Mitglied der EVP-Fraktion unterstützen